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Geno-Impuls Nr. 12

Der Plan B in Zeiten von Komplexität oder Denken und Arbeiten in Alternativen

Von Thomas M. Brösamle

 

Wie schön war es doch für viele: ein Leben ohne große Überraschungen mit planbaren Ergebnissen und mit wenig Abweichungen vom gewünschten Sollzustand. Egal ob privat oder beruflich: die meisten Dinge waren vorhersehbar und dann beherrschbar realisier- und umsetzbar. Im beruflichen Kontext würde ich die Geisteshaltung dahinter mal mit dem Begriff Management zusammenfassen. Zum Beispiel der PDCA-Zyklus. Wir planen (plan), wir setzen um (do), wir prüfen die Umsetzung (check) und wir steuern ggfs. gegen bzw. korrigieren (act). Viele spüren, dass sie mit diesen etablierten Methoden nicht mehr an das gewünschte Ziel kommen. Was macht man also ganz automatisch? Mehr vom Alten bzw. Gewohntem: engere und präzisere Pläne, noch mehr Kontrolle, kurze Berichtszyklen trotz vieler Überraschungen und Dynamik... Gehard Wohland spricht im unternehmerischen Kontext davon, dass Unternehmen unter der Dynamik regelrecht "leiden".

 

Oder nochmal anders: Manche(r) ist so sehr auf das Ziel fokussiert, sie oder er will es unbedingt errreichen, alles andere wird ausgeblendet, völlig verkrampft will man es mit voller Energie und ganzer zur Verfügung stehender Kraft erreichen. Und dann? Das Unmögliche geschieht: das Ziel wird nicht erreicht. Sie oder er ist am Boden zerstört und hat das Gefühl, dass alles verloren ist. Vor lauter Frust und Niedergeschlagenheit verliert man viel Zeit und Energie um sich über Alternativen Gedanken zu machen. Hier meine steile These aus eigener Erfahrung: nur durch echtes Scheitern lernt man wirklich bzw. entwickelt sich weiter. Auch wenn es schmerzt, ergibt sich in der Rückschau dann meist auch ein tieferer Sinn. 

 

Was braucht es also wenn der Plan A scheitert? 

 

Sachlich: 

  • Zunächst mal die Erkenntnis, dass Manches in Komplexität vom Alten nicht wirkt und
  • ein Begreifen und ein Anwenden von Werkzeugen für Komplexität 

 

Emotional: 

  • Zum einen die menschliche Bereitschaft mit dem Neuen umzugehen, sich also auf die Ungewissheit einzulassen und
  • zum anderen ein Erarbeiten des Plan B“ oder von Alternativen, falls der naheliegende Plan nicht aufgeht (wer weiß denn schon was morgen alles passiert...). 

 

Übrigens nimmt einem das die Angst vor dem Scheitern von Plan A. Warum? Man kennt ja Alternativen, hat sie bereits (ansatzweise) durchdacht und kann sich dann schnell darauf einstellen. 

 

Warum all das so schwierig ist, erkläre ich kurz anhand eines neurowissenschaftlichen Exkurses:

 

Ohne Gewohnheiten und Routinen wäre jeder neue Tag purer Stress. Was muss ich tun wenn der Wecker klingelt? Warum klingelt der überhaupt? Wann muss ich aus dem Haus gehen und vor allem wohin?... Gewohnheiten reduzieren also Komplexität und „navigieren" uns sicher und planbar durchs Leben. Der Bremer Hirnforscher Gerhard Roth meint dazu: „Die Konfrontation mit neuen und komplizierten Dingen erfordert Bewusstsein, Aufmerksamkeit und Konzentration - das Gehirn strebt darum danach, alles zu routinisieren.“ Nur so wird die für das Überleben notwendige Energie gespart; übrigens verbraucht das menschliche Gehirn circa 20% der Gesamtenergie bei nur ca. 2% Anteil am Gesamtkörpergewicht - ein echter Höchstleister und Energieräuber. 

 

Der Grundstein für Veränderungsfähigkeit (bestehend aus Veränderungsoffenheit und -bereitschaft) wird übrigens in den ersten drei Lebensjahren im limbischen System (= Ort der Gefühle und emotionales Gedächtnis) gelegt; die sogenannte „limbische Prägung“. Glaubt man wissenschaftlichen Studien so sind etwa 80 % der Menschen in Ihrer Grundhaltung veränderungsunwillig. 

 

Diesen gut gefüllten Rucksack schleppen wir also ein Leben lang mit und kämpfen bei Veränderungen gegen die eigene Prägung. Dieses Verhalten ist ganz tief in uns verankert und für uns selbst kaum sichtbar (sogenannter "blinder Fleck"). Das gemeine daran: unser Gehirn belohnt uns für alles, was es schon kennt. Das heißt: die Belohnungen, die das menschliche System braucht, werden ausgeschüttet, wenn man gewohnheitskonform agiert. Der amerikanische Motivationspsychologe Eric Klinger drückt es so aus: „Das Loslassen von Gewohntem kommt einem psychischen Erdbeben gleich.“

 

Fazit: Gewohnheiten sind „süßes Gift“, denn auf der einen Seite sichern Sie das Überleben und eine stressfreie Gestaltung unseres Alltages, auf der anderen Seite verhindern sie auch Veränderungen, welche ein langfristiges Überleben oder eine langfristige Weiterentwicklung sichern. Immer dann, wenn sich beispielsweise eine Firma über Innovation einen Vorsprung verschafft, erzeugt sie Marktdruck, den Mitbewerber durch sinkende Umsätze spüren. Unterbleibt dann die Weiterentwicklung der Mitbewerber wird es gefährlich für diese. Beispiele hierfür gibt es genug (Nokia, Kodak...). 

 

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Wie kann so ein Plan B bzw. Alternativen aussehen - ein paar Ratschläge aus und für die Praxis: 

 

Kennen Sie die Situationen wo sie nicht wissen was sie tun sollen? Sie finden keinen Einstieg zu einem Lösungsweg oder fühlen sich hin und her gerissen. Was tun? Schreiben sie bei solchen Problemen mindestens zwei (besser drei) Handlungsalternativen auf; wichtig: machen Sie das schriftlich, das zwingt sie zu einem klaren Ausdruck / klaren Gedanken und zur Abgrenzung der Alternativen. Oft ist es dann so, dass die bevorzugte Alternative dann „ins Auge springt“. Falls nicht, diskutieren Sie das mit ihrem Umfeld und / oder nehmen Sie sich ihre Notizen mit etwas zeitlichem Abstand wieder zur Hand.

  

Zum Abschluss noch einige Gedanken welche sie auf den richtigen Pfad bringen sollen.


Was braucht es als erlern- und trainierbare Fähigkeiten? 

  • Machen Sie sich Gedanken über das Zielbild; denken sie von der Zukunft her, also „rückwärts“. 
  • Welchen Zustand strebe ich an?
  • einen angstfreien Umgang mit Ungewissheit und Überraschungen
  • ein Verlassen der eigenen Sicherheits- und  Komfortzone
  • ein Überwinden der eigenen Gewohnheiten und Routinen
  • ein Denken und Arbeiten in Alternativen; was mache ich dann, wenn mein Plan A scheitert
  • eine Diskussion mit dem eigenen Umfeld (Kollegen, Familie, Freunde). Das eröffnet einem in der Regel neue Gedanken bzw. gibt wertvolle Impulse
  • die Fähigkeit zur Reflektion bzw. Selbstbeobachtung (Warum tue ich mich mit der Veränderung so schwer? Was löst diese für Gefühle in mir aus? Wovor habe ich konkret Angst? Was ist das schlimmste was passieren kann?...)

 

 

Noch zwei Gedanken, welche die permanente / lebenslange Notwendigkeit zur Weiterentwicklung untermauern sollen: 

 

  1. Wann ist eine Innovation aus Perspektive der überrollten Unternehmen bzw. Branche disruptiv (eines diese völlig hippen Plastikwörter)? Nur dann wenn man an seinem Plan A (also dem festgefahrenen Muster) festgehalten hat und keine eigene Ideen und Innovationen auf den Markt gebracht hat.
  2. Oder nochmal ein anderer Kontext: Hätten Dinosaurier wirkungsvoller alternative Wege verfolgt, hätten sie also die eingetretenen Pfade frühzeitig verlassen, so würden sie vielleicht heute noch, wenn auch sicherlich stark verändert, existieren.

 

Möchten sie der nächste Dinosaurier sein? Falls nein, empfehle ich ihnen sich mit der Materie schnellstens zu beschäftigen...

 


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